P O S I T I O N S P A P I E R  Teil 3    Bewilligung und Begutachtung

Qualitätssicherung des Bewilligung-Procederes für mittel- und hochfrequente psychoanalytische Krankenbehandlungen

Für die Indikation zu mittel- und hochfrequenten psychoanalytischen Verfahren liegen definierte Kriterien vor, die über die Indikationskriterien für niederfrequente Behandlungen hinausgehen. Es ist davon auszugehen, dass diese mehrere Sitzungen pro Woche erfordernden und mehrere Jahre dauernden Behandlungen nur einen kleinen Anteil aller Psychotherapie-Kassenleistungen ausmachen.

Zur bestmöglichen Vermittlung des jeweiligen Krankheitsbildes für eine Überprüfung durch den Krankenversicherungsträger (4), ob die Leistungsverpflichtung für eine mittel- oder hochfrequente psychoanalytische Behandlung im Sinne des ASVG im Einzelfall zutrifft, schlagen wir vor, für diesen Indikationsbereich besondere formale Grundlagen für ein Bewilligungsprocedere zu installieren.

Da der Bereich mittel- und hochfrequenter Psychotherapie sowohl das aktuelle System von Sachleistungen als auch Zuschussleistungen betrifft, sind beide Finanzierungsmodelle zu berücksichtigen und – für den Fall einer diesbezüglichen Notwendigkeit – auch Umstiegskriterien von Sach- auf Zuschussleistung zu definieren, um die Möglichkeit der Fortführung der Behandlung bis zur Erreichung der Therapieziele zu gewährleisten (5).

Vorschläge für das Bewilligungsprocedere:

  1. Eine, auf eine formale Vorlage (z.B. Formblatt mit Schreibfeldern) gestützte, schriftlich ausgefertigte Indikationsstellung, die den definierten Kriterien für mittel- bzw. hochfrequente psychoanalytische Behandlungen Rechnung trägt, sollte als Hauptinstrument zur Begründung eines Anspruchs von Patient_innen auf eine kassenunterstützte Behandlung installiert werden.
  2. Um die schriftliche Indikationsstellung als aussagekräftiges Instrument einsetzen zu können, muss sichergestellt sein, dass über mitgeteilte inhaltliche Geheimnisse in der Indikationsstellung die psychotherapiegesetzliche Verschwiegenheit gewahrt bleibt (am besten gewährleistet durch Anonymisierung der schriftlichen Indikationsstellung).
  3. Zur krankenversicherungsträger-seitigen begutachtenden Beurteilung dieser schriftlichen Indikationsstellung bedarf es abgesehen von der verbindlichen Vereinbarung eines klar definierten Indikationsrahmens (vgl. Papier „Indikationskriterien für kassengestützte psychoanalytische Behandlungen“), auch ausreichend hoher methodenspezifischer Kenntnisse der Bearbeiter_innen.
  4. Bei inhaltlichen Unklarheiten in dieser schriftlichen Indikationsstellung sollte zur Vermeidung von Störungen des Behandlungsverlaufes zunächst eine Klärung mit den Behandler_innen gesucht werden. Gegebenenfalls könnte zusätzlich verlangt werden, dass patient_innenseits ein psychiatrischer Befund (nach Möglichkeit von einem Facharzt oder einer Fachärztin mit methodenspezifischer Qualifikation) beigebracht wird.
  5. Eine Vorladung zu persönlicher Patient_innen-Begutachtung durch kassenbeauftragte Psychiater_innen bzw. Psychotherapeut_innen sollte zur Hintanhaltung möglicher dadurch ausgelöster Behandlungskomplikationen nur im Sonderfall erfolgen (wenn man diese rechtlich zustehende Möglichkeit der Entscheidungsfindung für unverzichtbar hält). Im Sinne einer höchstmöglichen Transparenz sollte die Begründung solcher Begutachtungs-Vorladung Patient_innen und Behandler_innen in einem angemessenen Zeitabstand zur geplanten Untersuchung mitgeteilt werden (6).
    Eine derartige persönliche Begutachtung ist zweifellos eine erhebliche (deshalb gering zu haltende) Patient_innen-Belastung, sie ist auch gem. rechtswissenschaftlichem Standpunkt (siehe Anmerkung 4) nur „ausnahmsweise“ angezeigt (plausibel etwa bei Verdacht auf Missbrauch).
    Zur Wahrung eines ausreichenden Qualitätsstandards und um die bisherigen behandler_innenseitigen Indikationsstellungen adäquat berücksichtigen zu können, ist an die Gutachter_innen die Anforderung einer methoden-spezifi- schen Ausbildung im Rahmen des psychoanalytischen Spektrums zu stellen (7).
    In der klinisch-begutachtenden Untersuchung, für die ausreichend Zeit zur Verfügung stehen sollte, ist auf die potentielle Fragilität von Patient_innen Bedacht zu nehmen, deren persönliche Integrität zu wahren und die psychotherapeutische Beziehung als etwas für die Patientin_den Patienten qualitativ Wertvolles zu respektieren.
  6. Ein direktes Eingreifen in die Krankenbehandlung durch kassenbeauftragte Sachbearbeiter_innen/Gutachter_innen (z.B. durch Nahelegen von anderen Therapiemethoden, von Stundenreduktion, von Psychopharmaka etc…) ist nicht Aufgabe einer Lege-artis-Begutachtung, führt zu Komplikationen im Behandlungsverlauf und muss daher vermieden werden (8).
  7. Im Fall einer Antrags-Ablehnung sollte vom Krankenversicherungsträger– neben der Mitteilung an die Patient_innen – auch den Behandler_innen, unter Eingehen auf deren Indikationsstellung (und auf eine ggf. erfolgte Begutachtung), eine Begründungs-Zusammenfassung der Entscheidung schriftlich übermittelt werden.

4
Rechtswissenschaftler Walter Pfeil betont 2010 („Rahmenbedingungen und Reichweite psychotherapeutischer Behandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung“): „Kein a-priori-Ausschluss bestimmter PT-Formen oder PT/inn/en (vgl. auch VfGH 2010, V 21/09)… Prüfung der Voraussetzungen erfolgt im Einzelfall, …Begrenzungen nur, wenn nicht mehr behandlungsbedürftig oder Behandlung nicht mehr zweckmäßig, …Eingriffe nur ausnahmsweise, Beweislast und Mittei- lungspflicht beim KVTr.“

5
Zwar ist der Krankenversicherungsträger berechtigt, eine Limitierung der Sachleistungen aus öko- nomischen Gründen zu verfügen, aber nicht des Kostenzuschusses, wenn im beantragten Einzelfall eine §-133-2-Trias weiterbesteht.

6
ASV-gesetzlich-gerechtfertigte Fragestellung der Begutachtung ist, ob die angesuchte Psychotherapie vorgeladener Patient_innen den ASV-gesetzlichen Bestimmungen entspricht bzw. inwiefern nicht entspricht.

7
Positionspapier des ÖBVP zur Begutachtung von (kassenfinanzierter) Psychotherapie durch die Krankenkassen 2013:…„Psychiaterinnen (Psychiater) ohne (methodenspezifische) Zusatzbe- zeichnung der BMG-Psychotherapeutenliste sind für derartige Begutachtungen nur zuzulassen, wenn sie infolge methodenspezifischer Psychotherapieausbildung die Kompetenz erworben haben, eine psychotherapeutische Behandlung, deren Verlauf und deren methodenspezifischen Standard zu begutachten“.

8
Peter Scholz (HVSVTr) 1999 zur Behandlungsautonomie: „Die Eigenverantwortlichkeit des…Psychotherapeuten bleibt…unberührt. Der Chefarzt bzw. der Psychotherapeut der Kasse ist nicht berechtigt, in die Behandlung unmittelbar einzugreifen.“ (Diagnose- und Indikationsstellung liegen im ASVG-Behandler_innenautonomie-Bereich. Krankenkassenseitig können Modifikationen folglich nicht verordnet, sondern nur – um auf größere Bewilligungs-Chancen eines derart modifizierten Antrages bei ansonsten anfallender Ablehnung hinzuweisen – nahegelegt werden).